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aus oekolandbau.de
Zukunftsküche Essen – eine Idee nimmt Form an
Miteinander diskutieren und voneinander lernen – in Kleingruppen kamen die Gäste miteinander ins Gespräch. Foto: BLE / Jannis Reichard
Regionaler, saisonaler und mehr Bio, bitte? Wie dies gelingen kann, diskutierten Ende September Verantwortliche der Außer-Haus-Verpflegung beim BioBitte Vernetzungsworkshop im Essener Rathaus. Mit dabei: Der Ernährungsrat Essen und seine Vision der Zukunftsküche Essen.
In Essens städtischen Schulen, Kitas und Kantinen soll der Anteil regionaler und saisonaler sowie von Bio-Lebensmitteln kontinuierlich steigen. So schlägt es der Stadtrat in seinem Ende August veröffentlichten "Aktionsprogramm Klimaschutz 2020" vor. Damit lieferte die viertgrößte Kommune des Landes Nordrhein-Westfalen die Steilvorlage für den ersten Vernetzungsworkshop der Initiative BioBitte: Im Ratssaal trafen Verantwortliche aus Kommunal- und Landespolitik sowie der Verwaltung auf relevante Akteurinnen und Akteure der Außer-Haus-Verpflegung (AHV). Darunter waren Cateringunternehmen, Schul- und Kitaleitungen, Landwirtinnen und Landwirte und, als Mitveranstalter, der Ernährungsrat Essen. Rund 50 Teilnehmende lernten sich vor Ort kennen. Und sie erfuhren von ausgewählten Praxisbeispielen aus NRW, wie sich der Anteil bio-regionaler Lebensmittel in der öffentlichen AHV erhöhen lässt.
"BioBitte ist eine gemeinsame Haltung"
Die ehemalige Stahl- und Kohlehochburg Essen hat sich zu einer der grünsten Städte des Bundeslandes entwickelt. Für ihre hohen Umweltstandards erhielt die Kommune 2017 die Auszeichnung "Grüne Hauptstadt Europas". Seither kümmert sich die "Grüne Hauptstadt Agentur" darum, die vor drei Jahren gesetzten Nachhaltigkeitsziele konsequent weiterzuverfolgen und die Stadt gemeinsam mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern noch lebenswerter zu machen.
Kai Lipsius leitet die Stabstelle im Dezernat für Umwelt, Verkehr und Sport. In seinem Grußwort an die Workshop-Teilnehmenden machte er deutlich: "Wir wollen den Anteil regionaler, saisonaler und biologischer Lebensmittel in der städtischen Gemeinschaftsverpflegung, in Schulen und Kitas erhöhen. Aber wir müssen auch gemeinsam lernen, wie dies gelingen kann, auch von Ihnen." Der Vernetzungsworkshop von BioBitte sei dafür die ideale Plattform, denn die Initiative stehe für eine gemeinsame Haltung und sei gleichzeitig Anlass, sich dem Thema anzunehmen und es mit vereinten Kräften voranzutreiben.
Umweltdezernentin Simone Raskob begrüßte die Workshop-Teilnehmenden. Foto: BLE / Jannis Reichard
Simone Raskob, Dezernentin für Umwelt, Verkehr und Sport, bezog sich in ihrer Begrüßungsrede auf das städtische Aktionsprogramm Klimaschutz. Dieses will nicht nur die bio-regionale Gemeinschaftsverpflegung (GV) stärken und eine kommunale Ernährungsstrategie konzipieren. Mit der "Zukunftsküche Essen" will die Stadt zudem die Realisierung eines Fortbildungs- und Schulungszentrum für Kantinen und Cateringunternehmen unterstützen. Landwirtinnen und Landwirte, Verarbeitungsbetriebe und Großküchen sollen hier einen zentralen Ort der Vernetzung finden.
Und sie würden praxisnah erfahren, wie sich der Anteil "regionaler, saisonaler und vom Ziel her ökologischer Rohstoffe in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung vergrößern lässt, um damit den CO2-Fußabdruck zu verkleinern", ergänzte Thomas Lang, der dritte Grußredner und ein erfolgreicher Bio-Bäcker aus Essen. Als Mitglied des örtlichen Ernährungsrats hat Lang das Leuchtturmprojekt Zukunftsküche mitinitiiert.
In kleinen Schritten zur Zukunftsküche Essen
Die Idee der Zukunftsküche ist inspiriert vom Kopenhagener "Madhus". Die Zukunftsküche Essen will die klimafreundliche und gesunde Gemeinschaftsverpflegung in der Stadt und der gesamten Region fördern: Mahlzeiten in öffentlichen Küchen sollen gesünder, frischer, schmackhafter und nachhaltiger werden: Bio, regional und saisonal für jeden Tag lautet das Ziel. Neben Schulungen und Vernetzungsangeboten für Unternehmen soll die Zukunftsküche Essen auch Kindern als Lernort offenstehen. Interessierte Bürgerinnen und Bürgerinnen, die sich über klimafreundliches Kochen informieren wollen, würden in der Zukunftsküche eine Anlaufstelle finden.
Wie sich der Weg zur Zukunftsküche Essen meistern lässt und welche Hürden Stadt und Ernährungsrat überwinden müssen, diskutierten die Gäste anschließend in einem von zwei Foren. In Kleingruppen wurden die Zutaten für die Zukunftsküche identifiziert und wichtige Leitfragen aufgeworfen: Wen müssen wir vor Ort einbinden? Wie lassen sich Verbraucherinnen und Verbraucher frühzeitig "mitnehmen"? Wie schafft man es auch ohne größere Fördermittel, etwas zu bewegen? Wie wichtig sind stadtweit definierte Standards zum Regio- oder Bio-Anteil? Die Teilnehmenden schmiedeten auch erste konkrete Ideen und stellten fest: In kleinen Schritten geht es zum Ziel. Einige Beispiele: In einem Stadtteil im Essener Süden ließe sich eine neue Logistikinfrastruktur ausprobieren. Hier könnte eine dezentrale Küche gleich mehrere Schulen in der Gemeinde beliefern.
Über ein "Essener Menü" mit Heimatbezug könnte man außerdem Verbraucherinnen und Verbraucher für mehr bioregionale Küche begeistern. Gemeinsam mit einem Caterer plant die Zukunftsküche Essen einen Klimateller zu entwickeln. Und auch eine langfristige Kooperation mit einer Schule streben die Macherinnen und Macher der Zukunftsküche an. Bei Ausschreibungstexten der Stadt Essen wolle man zukünftig stärker mitreden und Impulse setzen. Und die Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) am Standort Essen will der Ernährungsrat zukünftig intensivieren. Thomas Lang zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Austauschs: "Der Vernetzungsgedanke ist voll erfüllt. Wir können konkrete Projekte umsetzen. Wir sind politisch gewollt. Und wir wollen die Zukunftsküche Essen gemeinsam mit der Stadt auf die Beine stellen." Sein Rezept für die Zukunftsküche: "Einfach anfangen!"
Wünsche der Gäste – Möglichkeiten der Küche
Wünsche der Gäste? Möglichkeiten der Küchen? In den Foren erarbeiteten die Teilnehmenden Antworten auf zentrale Fragen. Foto: BLE / Jannis Reichard
Das zweite Forum lud die Expertinnen und Experten ein, sich über Herausforderungen und Wünsche relevanter Anspruchsgruppen auszutauschen. Gäste einer Kantine würden sich vor allem für den Geschmack des Essens interessieren. Darin war sich die Runde einig. Aktiv gefordert werde Bio in der AHV bisher weder von Gästen noch von Auftraggebern. Häufig seien es motivierte Einzelpersonen wie Schulleitungen, die sich für das Thema stark machten. Wer den Bio-Anteil vor Ort erhöhen will, sollte also engagierte Fürsprecherinnen und Fürsprecher ausfindig machen.
Eine weitere Herausforderung stelle rund um die Stadt Essen die Beschaffung dar: Der konventionelle Großhandel böten kaum Bio-Produkte an. Bio-Händlerinnen und -Händler fänden keine Großküchen, die ihnen die Waren abnehmen. Hier könne die Politik für einen erhöhten Veränderungsdruck sorgen, indem sie unter anderem in Ausschreibungen einen Bio-Anteil von bis zu 50 Prozent vorschreibt. Die Forums-Teilnehmenden waren sich sicher: In der Rathauskantine würden Gäste 30 bis 40 Cent mehr pro Gericht zahlen für mehr Bio und guten Geschmack.
Täglich 900 Mahlzeiten mit 60 Prozent Bio-Anteil
Zwischen Begrüßungsreden und Forums-Phase erhielt das Fachpublikum weitere Impulse durch die vorgestellten Beispiele. Rafael Platzbecker, Küchenleiter der Landeschulen NRW in Wuppertal, bereitet täglich 900 Mahlzeiten mit 60 Prozent Bio-Anteil zu. Klaus Richter, der Geschäftsführer des Bio-Caterers Rebional aus Herdecke verdeutlichte, dass Bio nicht teuer sein muss und wie es sich in der GV erfolgreich verankern lässt. Rainer Roehl, Geschäftsführer von a’verdis und Veranstalter vor Ort, zeigte, warum sich ein Blick über den Tellerrand des Ruhrgebiets lohnt und welche guten Beispiele es im In- und Ausland gibt.
"Qualitätsanspruch wird endlich formuliert."
Die Mischung aus Netzwerken und Wissensvermittlung, Inspiration und Austausch traf den Nerv der Teilnehmenden: "Als Caterer werde ich häufig mit den Preisvorstellungen unserer Kundinnen und Kunden konfrontiert. Meinem Herzen kommt es sehr entgegen, dass wir hier und heute vor allem über die Qualität der Lebensmittel gesprochen haben", sagte Andreas Wronna, Betreiber des Cateringunternehmens Kiddy Food. Nicht nur Wronna und der Ernährungsrat Essen versprühten Aufbruchsstimmung. Auch die Grüne Hauptstadt Agentur erhielt einen "großen Motivationsschub, um das Thema "Mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung" nun auch gemeinsam mit einer Vielzahl an Akteuren angreifen zu können", freute sich Kai Lipsius. Für ihn bedeutet dies aber auch, dass die Stadt einen konkreten Zielrahmen setzen muss, um die Akteurinnen und Akteure zu motivieren.
Der Vernetzungsworkshop in Essen war eine Veranstaltung der Initiative BioBitte. Veranstalter vor Ort war das Beratungsunternehmen a’verdis in Zusammenarbeit mit der Grünen Hauptstadt Agentur Essen und dem Ernährungsrat Essen.
Aus der WAZ vom 26.09.2020
Gesa Born
26.09.2020, 16:18
Mehr Bio für die Stadt, aber wie? Eva Schlüter vom Beratungsunternehmen a’verdis, Thomas Lang, Ernährungsrat Essen, Simone Raskob, Dezernentin für Umwelt, Verkehr und Sport, und Kai Lipsius, Leiter Grüne Hauptstadt Agentur Essen suchten nach Antworten. Foto: BLE
Essen. Viele wollen Bio. Doch wie schaffen es Bio-Produkte preisgünstig in städtische Kantinen und Catering-Küchen? Treffen im Rathaus suchte Antworten.
„Bio find‘ ich blöd – das würde ja keiner sagen“, meint Kai Lipsius, Leiter der Grünen Hauptstadt Agentur Essen. Jüngst war Lipsius Mitveranstalter eines Vernetzungsworkshop mit 50 Teilnehmern für das Projekt „Zukunftsküche Essen“ im Rathaus. Zusammen mit dem Ernährungsrat Essen greift die Stadt damit die Initiative „BioBitte – mehr Bio in öffentlichen Küchen“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auf, die das Ziel hat, den Anteil an regionalen, saisonalen und Bio-Lebensmitteln in der öffentlichen Außer-Haus-Verpflegung (AHV)in Essen zu erhöhen.
Zur Schul- und Kita-Verpflegung kann die Stadt in weiten Teilen Einfluss nehmen
Lipsius weiß aber: „Es ist eine Frage des Preises.“ Die geladenen Kantinenbetreiber und Caterer bei der Veranstaltung interessierte: Wie schaffen es Produkte aus ökologischer Landwirtschaft kostengünstig auf die Teller? Die Schul- und Kita-Verpflegung steht zum Großteil im Einflussbereich der Stadt, die von der Essener Servicegesellschaft RGE geleistet wird. Welche Vorgaben der RGE gemacht werden, sei „eine politische Willensentscheidung“, sagt Lipsius.
Andererseits: Für Schülerinnen und Schüler komme es auf jeden Cent an, da stehe das Gebot der Wirtschaftlichkeit noch mehr an oberster Stelle als in der Rathauskantine. In Zukunft sollen sich aber vermehrt auch private Kantinen und Caterer für die Bio-Umstellung begeistern. Funktionieren könne das Schritt für Schritt.
Über Einsparungen die höheren Kosten für Bio hereinholen?
Erst einmal sei es sinnvoll, nur bestimmte Produktgruppen aus ökologischem Anbau einzukaufen, bei denen sich die Preise nicht stark unterscheiden. Auch Logistikänderungen, beispielsweise der Aufbau regionaler Lieferantenstrukturen, oder die Eindämmung von Lebensmittelverschwendung führten zu Einsparungen, die wiederum Investitionsspielraum für Bioprodukte böten. Auch weniger Fleisch könne die Kosten senken.
Als Vorreiter zeigt sich das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, das an seinem Standort Essen schon vor einiger Zeit mit einem neuen Kantinenpächter auf frischen Wind in der Küche gesetzt hat. Die gemeinnützige Neue Arbeit der Diakonie gGmbH, die Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt integriert, kocht seitdem „vielfältiges und frisches Essen – weniger Wurstwaren, dafür Fisch aus nachhaltiger Fischerei“, schwärmt Gero Oertzen, Fachbereichsleiter des LANUV in Essen. Die Anzahl der Kantinenbesucher sei merklich gestiegen.
Stadt: Gemeinschaftsverpflegung kann weitere Lernprozesse zur Ernährung auslösen
„Wir steigen gerade erst in den Lernprozess ein“, bemerkt Kai Lipsius. Es gebe zum Beispiel noch keinen fixen prozentualen Bio-Anteil, auf den man sich festgelegt hätte und den man dann zuverlässig steigern könne. Trotzdem glaube er an einen Paradigmenwechsel. Die „Zukunftsküche Essen“ soll dabei langfristig als Fortbildungszentrum Kantinen und Caterer auf ihrem Weg zu mehr Bio begleiten. Ziel sei es auch, über mehr Bio-Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung Menschen für bewusste Ernährung zu Hause zu motivieren, damit „Bio irgendwann das neue Normal“ sei, so Lipsius.
Als ehemalige „Grüne Hauptstadt Europas“ habe Essen einen Wandel vollzogen und zugleich einen Prozess angestoßen, um die Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt weiter und nachhaltig zu verbessern. „Dazu kann auch eine Erhöhung des Bio-Anteils in den Kantinen und Küchen städtischer Einrichtungen beitragen“, sagte Umweltdezernentin Simone Raskob und ergänzte: „Wir freuen uns über das bürgerschaftliche Engagement der Ernährungsräte und unterstützen die Pläne für die Realisierung einer ‘Zukunftsküche Essen’.“